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Morbus Kienböck

 

Warum wird diese Erkrankung häufig nicht erkannt?

Die leider oft sehr jungen Patienten beschreiben streckseitige Schwellungen und Schmerzen, die oft unabhängig von Verletzungen auftreten.
Anfänglich können die Schmerzen nicht genau definiert werden, da sie diffus streckseitig in das Gelenk ausstrahlen. Bei der klinischen Untersuchung findet sich ein definitiver  Druckschmerz über dem Mondbein.
Die angefertigten Röntgenbilder werden oft fehlinterpretiert.

Mögliche Fehldiagnosen reichen daher häufig von Sehnenscheidenentzündung, über Handgelenksverrenkung bis hin zu Prellung oder gar jugendlichem Rheuma!

Wie kommt es zu dieser Erkrankung?

Die Mondbeinnekrose (fälschlich Lunatummalazie) oder die Kienböck`sche Erkrankung, Morbus Kienböck, M.Kienböck, führt zum Absterben der knöchernen Struktur des Mondbeins.

Die Ursachen dafür liegen unter anderem an einer verminderten Durchblutung des Mondeins.
Häufig finden sich Kofaktoren wie eine zu kurze Elle (Ellenminusvarianz, Ulnaminusvarianz) und einem flacheren Gelenkwinkel der Speiche, wodurch es zusätzlich zu einer vermehrten Kraftübertragung auf den speichennahen Anteil des Mondbeins kommt.

Schwere Schlagbelastungen, wie Presslufthammer, der Hammerschlag im Baugewerbe oder regelmäßige Schlagbelastung im sportlichen Bereich (Mountainbiken, Ballsportarten) kann man lediglich als Kofaktoren bezeichnen.

Wie ist der Verlauf der Erkrankung?

Man unterscheidet mehrere Stadien des Erkrankungsverlaufes.
Der Beginn der Erkrankung ist nur mittels einer MRT-Untersuchung unter Zuhilfenahme eines Kontrastmittels erkennbar.

Diese Untersuchung muss auf Verdacht bei Zusammentreffen mehrerer Kriterien wie:
     -     wiederkehrenden Schmerzen, vor allem bei Beugung des Handgelenkes durch die erhöhte Spannung der Gelenkkapsel bei zunehmendem Gelenkerguss
     -     einer diffusen Schwellung vor allem streckseitig über dem vierten Sehnenfach
     -     einer zu kurzen Elle  
durchgeführt werden.

Der Verlauf im Stadium 1 bis 4

Im Stadium 1 kommt es aufgrund der Minderversorgung zu einem Mondbeinödem, vom Spezialisten erkennbar an einer Farbveränderung (der Handwurzelknochen erscheint heller) im Röntgen. Die Patienten klagen über wiederkehrende Schmerzen und eine deutliche Schwellung streckseitig über dem Sehnenfach ist erkennbar. Leider wird gerade hier oft die Fehldiagnose: Sehnenscheidenentzündung gestellt.

Im Stadium 2 zeigen sich zu der Farbveränderung auch kleine Zysten (beginnender Zusammenbruch der Knochenbälkchen), bei noch erhaltener Größe des Mondbeins.
Die Schmerzen nehmen zu, das Handgelenk wird deutlich schlechter bewegt und manchmal kommt auch ein Karpaltunnelsyndrom, durch die Einengung eines Handnervs (Nervus Medianus), als Symptom hinzu.

Im Stadium 3 verliert das Mondbein bereits seine Form, wird schmäler und beginnt zu brechen.
Damit verfällt aber auch langsam die Architektur des Handgelenkes, der SL-Spalt wird scheinbar weiter. Äußerlich erkennt man zu der Schwellung bereits eine beginnende „Fehlstellung“ durch den beginnenden Handwurzelkollaps.
Wird der Patient dann in einer Ambulanz vorstellig, oft im Zusammenhang mit einem Minimaltrauma (Sturz, Verdrehung des Handgelenkes beim Stiegensteigen, ausrutschen auf dem Glatteis), wird oft fälschlicherweise das Trauma als Ursache für den Bruch vermutet.

Im Stadium 4 ist das Mondbein bereits mehrfach gebrochen, im MRT scheint ein Handwurzelknochen zu fehlen und das Kopfbein tritt in die erste Handwurzelreihe ein.
Die Mechanik des Handgelenks ist mehr oder weniger aufgehoben, nur mehr Minimalbewegungen sind schmerzfrei möglich.

Welche Therapien gibt es in den einzelnen Stadien?

Wird die Erkrankung im Stadium 1 mittels MRT festgestellt, kann sie durch eine Ruhigstellung im Gips von mindestens 4 bis maximal 8 Wochen gut ausgeheilt werden.
Weitere Kontrollen müssen aber erfolgen, um ein eventuelles Fortschreiten der Erkrankung in das Stadium 2 nicht zu versäumen.

Im Stadium 2 ist, bei einer vorhandenen Ellen-Minus-Varianz eine Verkürzung der Speiche (maximal 2mm) zur Entlastung des Mondbeins, die Therapie der Wahl.
Eine Ruhigstellung ist dann nicht erforderlich, eine Belastung sollte jedoch bis zu 3 Monaten vermieden werden.

Freier Mikrovaskulärer Femurspan

Im Stadium 3 bis sogar 4 gelingt es, das Mondbein mittels eines Knorpel-Knochentransplantates mit Gefäßstiel, von der nichtbelasteten Gelenkfläche der Kniescheibe am unteren Oberschenkelknochen, zu ersetzen und somit die Handwurzelarchitektur zu stabilisieren.
(auch mikrovaskulärer Femurspan, Span vom distalen medialen Femurkondyl genannt)
Eine genaueste Abklärung mittels ROE und CT (Computertomografie) und Ultraschall (Sonographie) ist eine Vorbedingung um diese Operation zu planen, ein erfahrenes und gut eingespieltes OP-Team, um diese durchzuführen.

Wie geht diese Operation vor sich?

Der abgestorbene Anteil des Mondbeins wird zu 2/3 entfernt.
Über einen seitlichen Zugang an der Innenseite des Knies, wird aus dem seitlichen, nicht belasteten Gleitbett der Kniescheibe, ein in der Größe genau passendes Knorpelknochenstück an einem Gefäßstiel entnommen und in den Defekt des Mondbeins eingepasst.
Der Gefäßstiel wird unter mikroskopischer Sicht an einen passenden Ast einer am Handgelenk befindlichen Arterie und einer Vene angeschlossen.
Die genaue Kenntnis um die Anatomie des Mondbeins und dessen Verbindung zu den benachbarten Handwurzelknochen, als auch mikrochirurgische Erfahrung, sind hierbei eine absolut notwendige Voraussetzung.

Anschließend erfolgt eine Ruhigstellung im Unterarmgips (ich bevorzuge einen gut wattierten Softcastgips) für 8 Wochen, sowie für 4 anschließende Wochen, in einer abnehmbaren Schiene.
Das Knie ist postoperativ wieder voll belastbar und soll sofort bewegt werden.

Ist jedoch die Erkrankung schon zu weit fortgeschritten und lassen sowohl das Alter des Patienten, als auch eine oft erst nach vielen Jahren auftretende Arthrose, eine Wiederherstellung des Mondbeins mittels Femurspan, wie oben beschrieben, nicht mehr zu, ist die Entfernung der ersten Handwurzelreihe (Proximal Row Carpectomy oder PRCE) eine gute Option, um eine schmerzfreie Beweglichkeit zu gewähren.

Eine Belastung über den Normalgebrauch ist in Hinkunft jedoch tunlichst zu vermeiden, um einer vorzeitige Gelenksabnutzung des „Neugelenkes“ vorzubeugen.

Ist der Patient jedoch bereits in einem Stadium der fortgeschrittenen Arthrose, führt eine Denervation des Handgelenkes (Denervation nach Wilhelm: Durchtrennen des Nervus Interosseus) zu einer deutlichen Schmerzreduktion, die für längere Zeit anhält.

Von einer Teilversteifung (STT-Arthrodese) oder kompletten Handgelenksversteifung (Handgelenksarthrodese) kann in den meisten Fällen abgesehen werden.